„Stephen King“, habe ich immer gedacht, „der reißt einen so richtig vom Hocker, der verdreht einem das Hirn und schockt bis aufs Mark.“ Deshalb wollte ich eigentlich schon seit Längerem eines seiner Bücher lesen und die Neuerscheinung „Holly“ hat mich umso neugieriger gemacht. Der Klappentext klingt einerseits nach klassischem Ermittlungskrimi und lässt andererseits Grauenvolles erwarten – klang für mich nach einer vielversprechenden Mischung. Gelesen wird das Hörbuch übrigens von David Nathan, den ich als Synchronsprecher und Hörbuchsprecher fast schon vergöttere, und dieser hat bei „Holly“ für mich den Großteil des Hörvergnügens ausgemacht.
Denn ich muss leider gestehen: Mein erster King und ich – das war wohl nichts. Eigentlich schade, denn grundsätzlich fand ich die Handlung spannend, die Privatermittlerin Holly als Hauptfigur interessant und das Setting überraschend anders. Auch die Atmosphäre hat mir in vielen Szenen gut gefallen und ein bisschen (oder ein bisschen viel) Ekel und Grauen war auch dabei. Das Zusammenspiel aus Alltäglichem und blankem Horror ist King hier richtig gut gelungen – der Ekelfaktor ist übrigens sehr hoch, was man wissen wollte, bevor man dieses Buch in die Hand nimmt. Für mich war das aber nicht das Problem: Im Gegenteil, der tiefe Abgrund der menschlichen Seele, in den King den Lesenden blicken lässt, schockt und fasziniert gleichermaßen.
So weit, so gut. Die Grundvoraussetzungen haben gepasst, was hat mich also gestört? Zum einen die Anlage des Plots – erzählt wird auf verschiedenen Zeitebenen und aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Einerseits begleiten wir Holly bei ihren Ermittlungen zu der verschwundenen Bonnie und andererseits lernen wir schon recht früh die Tätersicht kennen – man weiß also von Anfang an, wer hinter den verschwundenen Menschen steckt und was mit ihnen passiert. Zwar offenbart sich erst nach und nach der ganze Umfang dieser grauenvollen Taten, ein großes Stück Spannung ging für mich aber dabei verloren.
Statt mitzufiebern, mich selbst in Theorien zu verlieren und gebannt Hollys Schlussfolgerungen zu bewundern, habe ich mehr oder weniger gelangweilt verfolgt, wie Holly langsam, gaaaaanz langsam die Puzzlestücke zusammensetzt und den Hintergründen der Verbrechen, die wir als Lesende bzw. Hörende ja von Anfang an kennen, peu a peu auf die Spur kommt. Das war hier und da ein interessanter Einblick in die Ermittlungsarbeit, hat aber auch dafür gesorgt, dass ich Hollys Arbeit einfach nicht einschätzen konnte – hat sie jetzt gut oder schlecht ermittelt? Keine Ahnung, denn für mich war ja von Beginn an alles glasklar.
Diese Art des Erzählens kann man mögen oder nicht. Für mich hat sie allerdings einen Gutteil der Spannung und Dynamik aus dem Plot genommen, der insgesamt auch eher einfach gestrickt und weniger komplex war. Überraschungen und Plottwists gab es eigentlich keine – und die Aussicht auf solche hatte mich doch beim Hören hauptsächlich bei der Stange gehalten. Umso enttäuschter war ich am Ende – denn es ist mehr oder weniger alles genauso gekommen, wie man es sich von Anfang an denken konnte.
Und nun komme ich noch zu dem Punkt, der in den Rezensionen zu diesem Buch wohl am heißesten diskutiert wird: der Corona-Thematik. Zunächst einmal habe ich absolut kein Problem damit, dass das Thema in Romanen aufgegriffen wird. Die Pandemie war schließlich für mehr als zwei Jahre Teil unseres Lebens. Und King nutzt seinen neuen Thriller für ausgiebige Gesellschaftskritik – Impfgegner*innen werden genauso abgewatscht wie Corona-Leugner*innen und Trump-Anhänger*innen. Erst einmal total okay, da auch mich genau diese Leute jahrelang auf die Palme gebracht haben. Andererseits rutscht King hier auch dermaßen ins Stereotype ab, dass es einfach nur noch ermüdet. Gerade mit Hypochonder Holly wird das Idealbeispiel der sich vorbildlich verhaltenden Bürgerin skizziert, während wer sich nicht impfen lässt natürlich stirbt, gefeuert wird oder am Beatmungsgerät im Krankenhaus liegt – und natürlich überwiegend sozial eher schwächer, geistig nicht mehr ganz fit oder eben einfach ein A****loch ist (wenn auch nicht durchgehend). Ganz so einfach war es dann wohl doch nicht und genau diese Vorverurteilungen haben ja auch zum Teil zu den gesellschaftlichen Gräben geführt.
Wenn schon Corona, dann hätte ich mir vielleicht einen differenzierteren Blick auf die Thematik gewünscht. Und ich hätte, ehrlich gesagt, auch auf den x-ten Impftalk verzichten können. Insgesamt waren da Nebenstränge in der Handlung, die ausschweifend auserzählt wurden und dabei wenig zum Plot beigetragen haben. Ich weiß, dass ausschweifendes Erzählen wohl zu den Charakteristika von Stephen Kings Romanen gehört und ganz generell habe ich damit auch kein Problem. Aber bei „Holly“ hat mir der rote Faden doch ein paar Schleifen zu viel genommen.
Hin und wieder aufblitzende Spannung, einige atmosphärische Szenen und die ein oder anderen interessant gezeichneten Charaktere – vor allem aber David Nathans großartige Lesung haben mich am Ball bleiben lassen. „Holly“ ist wohl einfach nicht der richtige Thriller für mich. Hier steckte mir zu viel gewollte Gesellschaftskritik drinnen, zu viel erhobener Zeigefinger und dafür zu wenig Thrill und definitiv zu wenig spannende Handlung. Daran konnten auch die sporadisch eingeworfenen Schockmomente nichts ändern. Lieber hätte ich noch mehr zu den Tathintergründen erfahren und dazu, wie es so lange gelingen konnte, die Taten zu verschleiern, als zum Hersteller des Impfstoffs von Person XY.