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Rezension zu
Wir bleiben noch

Vom Aussterben bedroht

Von: amara5
26.03.2021

Der Kärntner Autor und Träger des Österreichischen Buchpreises Daniel Wisser schreibt einer aussterbenden Spezies ein lakonisches, literarisches Denkmal: In „Wir bleiben noch“ geht er humorvoll der Historie und Gegenwart der Sozialdemokratie nach – anhand eines Lebensabschnitts des gelungen überzeichneten Protagonisten Victor Jarno: Mitte 40, kinderlos, standhafter Sozialdemokrat und in einer Beziehung mit seiner Cousine. Mit letzterem webt Wisser auch wie in seinem letzten Werk ein gesellschaftliches No-Go ein und auf welche Intoleranz sowie Anfeindungen das Paar stößt. Victor ist frisch in Trennung von seiner Noch-Ehefrau, der Kinderwunsch blieb unerfüllt und die Zeichen der Zeit wie WhatsApp, SUVs, Handys, E-Bikes und Online-Konten nerven ihn genauso wie der politische Rechtsruck in der Gesellschaft und eigenen Familie. Begeisterung und Flucht aus der Realität findet er in historischen Geschichten der Vergangenheit und seiner alten Familiengeschichte. Als seine adrette Cousine Karoline auf einem Familienfest auftaucht, blitzt die alte Liebe wieder auf – sie werden ein Paar und ziehen in das Haus der verstorbenen Großmutter Urli in die ländliche Provinz Heiligenbrunn. Nicht nur Victor als Erbschaftsfolge entzürnt die Verwandschaft – die Liebesbeziehung zwischen Cousin und Cousine entfacht schieren Missmut, moralische Empörung und Kämpfe. Per Anwalt wird um das Haus gestritten, derweil denken Victor und Karoline sogar an Nachwuchs: die Sozialdemokraten dürfen nicht Aussterben wie das Breitmaulnashorn. Zu zweit vereinsamen sie zwar etwas in dem Haus, finden aber immer mehr Nähe als Paar und Freude an der Isolation – das ist wunderbar herausgearbeitet. Daniel Wisser hat einen sehr unterhaltsamen und hochaktuellen Roman mit politischem Zündstoff geschrieben – wie die eigene Familie entwickelt sich die österreichische Innen-Politik nicht nach Victors Vorstellungen. Die Beziehung der beiden ist auch ein romantischer Akt der Rebellion und mit sehr schlagfertigen, subtil humorvollen Dialogen gestaltet, die auch öfters als Emoji-starke WhatsApp-Chats dargestellt werden. Mit viel Wortwitz, trockenem Humor, historischen Rückblicken und Empathie legt Daniel Wisser mit seinem neuen Roman präzise der Gesellschaft den Finger auf die Wunde. Und die Schwere der Themen zwischen Generationenkonflikten, Familiendrama, Liebesgeschichte und aktuellem politischen Gegenwartsbefund wird präzise durch den geistreichen, feinfühligen Witz aufgefangen. Und schlussendlich mit einer klugen Persiflage auf den modernen Kommunikationsstil in neuen Medien.

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