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Rezension zu
Einer muss doch anfangen!

Wenn Pubertät auf schreiendes Unrecht trifft

Von: Claudia Grothus
07.04.2021

Einmal mehr ein Buch über Sophie Scholl. Wobei ich die Betonung auf „über“ legen möchte. „Einer muss doch anfangen“ von Werner Milstein erzählt nicht „von“ Sophie, es findet nicht in ihr Inneres. Es berichtet distanziert wie ein Referat „über“ das Leben dieser jungen Frau, nimmt sie gleichsam unter eine Lupe. Die Leser sehen Sophie, aber eine Identifizierung mit ihr fällt aus dieser Perspektive schwer. Dabei ist das Buch schon sehr interessant und liefert gutes Basiswissen über Sophie Scholls Lebensweg. Dennoch verpasst Milstein fast zur Gänze den guten Rat für Autoren: Show, don’t tell! Das mag auch der Grund sein, warum Sophie Scholl beim Lesen nie in greifbare Nähe rückt. Ihre Emotionen und Gedanken werden - zweifellos durch ein ausführliches Studium von Quellen, Originalschriften und Basisliteratur - nur benannt: Sie war verzweifelt, sie war ruhelos, sie war auf der Suche. Aber man kann es nicht miterleben, weil der Text dauernd nach akribisch zusammengetragenen Fakten klingt. Auf jeder Seite scheint zu stehen: Wenn du es genauer wissen willst, dann lies halt selber in den Quellen nach. Das ist natürlich auch eine Art, zum Lesen zu motivieren. Vielleicht ist die erzählerische Distanz ja auch gewollt. Man lernt keine Heldin des Widerstandes kennen, sondern ein intellektuelles, verunsichertes, pubertierendes Mädchen auf der Suche nach Antworten auf die Frage nach dem Sinn des Daseins. Immerhin. Werner Milstein scheint es besonders wichtig zu sein, Sophies verzweifelte innere Suche immer wieder in den Vordergrund zu stellen, oder besser: immer wieder zu benennen. Man könnte auf den Gedanken kommen, dass es seine Absicht ist, die Antwort auf Sophies Fragen und das Ziel ihrer Suche im Christwerden darzustellen. Die Hinweise darauf verdichten sich zum bitteren Ende der Biografie immer stärker. Das Ganze gipfelt in einer Art Erlösungssituation kurz vor der Vollstreckung ihres Todesurteils, wo sogar ein Vergleich zu Jesus gezogen wird. Mir persönlich geht das zu weit. Ich halte es für höchst fragwürdig, die jungen Widerständler der Weißen Rose als christliche Märtyrer darzustellen. Sie waren Opfer. Natürlich haben sie moralische Größe bewiesen und das ist wichtig. Aber sie waren Opfer eines grausamen Systems. Gerade weil sie so jung, so leidenschaftlich und auf der Suche waren. Obwohl ich einiges an Fakten gelernt habe, empfand ich „Einer muss doch anfangen“ als eine Fleißarbeit mit christlicher Gesinnung. Und das ist ja völlig okay. Sinnvoll ist dieses Buch sicherlich für Eltern von Kindern, die bald in die Pubertät kommen. Die Verletzlichkeit der Jugendlichen in ihrem Selbstfindungsprozess wird sehr deutlich. Und deutlich wird auch, dass es für junge Menschen gefährlich wird, wenn Pubertät auf schreiendes Unrecht trifft. Ganz abgesehen vom thematischen Inhalt wurde das Buch leider recht billig produziert. Die Fotos sind lieblos hineingepflastert und es scheint überhaupt niemand korrekturgelesen zu haben. An auffällig vielen Stellen stolpert man im Lesefluss über groben Wortsalat. Das Thema hätte mehr handwerklichen Respekt verdient.

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