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Rezension zu
Löwenzahnwirbelsturm in Orange

Buntes Georgien

Von: Bjoernandbooks
31.01.2022

Ein buntes Kaleidoskop an Menschen, an Frauen und Männern, die sich lieben, hassen, miteinander leben, miteinander auskommen (müssen), die sich vertrauen, manchmal auch zu Unrecht, und die alle eine Gemeinsamkeit in sich tragen: ihr Heimatland Georgien. Da ist zum Beispiel Elene, das wohl schönste Mädchen, in das sich Mserosa unsterblich verliebt. Als sich jedoch herausstellt, dass Elene kein Interesse an Männern hat, sondern sich vielmehr zu Tina hingezogen fühlt, sieht er rot. Ein sexuelles und gewalttätiges Vergehen, das nicht ungesühnt bleiben soll auf seinem Lebensweg, der ihn in ein Kloster und die Politik führt, der ihn Maulesel und Nilpferde begegnen lässt. Da sind auch Nita und Teo, in Liebe zueinander entbrannt, als sie sich in ganz jungen Jahren kennen- und lieben lernen, eine Zuneigung, die Teos Vater, ein gutherziger und einfühlsamer Mann, toleriert, respektiert und achtet, womit er jedoch sehr alleine ist. Und da ist Eka, die Erzählerin, die ihr Kind vor langer Zeit verloren hat und die Kontakt zu sich selbst und den Verstorbenen aufnimmt. „Aber ich habe keine Depression, Teo. Das Leben ist eben eine Sache des Geschmacks. Du bist der Stern meines Lebens mit leuchtend-bunten Galaxien in den Augen “ (S. 70) Georgien ist ein Land, dessen raue Märchenhaftigkeit Tamar Tandaschwili in „Löwenzahnwirbelsturm in Orange“ auf magische Weise mit den gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten der Gegenwart verbindet. Ihr mal fragmentarischer, mal höchst poetischer Erzählstil lässt Figuren auftauchen und verschwinden, lässt sie sich transformieren und wiederauferstehen. Mit behutsamen Worten steht bei ihr eines im Zentrum: der Mensch. Tandaschwili kümmert sich in ihrem Roman primär um diejenigen, die die Gesellschaft an den Rand drängt. Da gibt es vielerlei queere Figuren, die verachtet und verstoßen werden, die sich aber auch emanzipieren können, die sich von der Hegemonie des Patriarchats nicht kleinkriegen lassen. Sie zeigt die Menschen, wie sie sind, in all ihrer Buntheit, Diversität, mit ihren Macken und Unzulänglichkeiten, in all ihrer Brutalität und Getriebenheit. Mserosa, der Vergewaltiger, wird in immer wieder neue Kontexte verortet, doch scheint ihn seine Tat zu verfolgen, wird er doch niemals sein Glück und eine Absolution finden können. Auch die Suizid-Thematik spielt eine immer wiederkehrende Rolle, zeigt Tandaschwili an ihr doch die Ausweglosigkeit, die denjenigen verbleibt, deren Kraft nicht mehr zum Weiterleben reicht. Dieses Figuren-Potpourri kleidet sie in eine surreal anmutende Welt, in ein Georgien, das nahe am Original ist, das aber auch Möglichkeiten des Eskapismus bietet, eine Traum- und Fabelwelt, in der sprechende Tiere und die Seelen der aus dem Leben Geschiedenen selbstverständlich sind. „Löwenzahnwirbelsturm in Orange“ ist ein kurzer Roman, eher noch eine Textcollage, die Zartheit und Heftigkeit, Rauheit und Sanftheit auf wundersame Weise miteinander kombiniert. Ohne historisch-politische Detailinformationen zu bekommen, hat man als Leser*in das Gefühl, ein Gespür für das Land Georgien und seine Menschen zu erhalten. Mit allen Sinnen taucht man*frau in Tandaschwilis Sprache ein, lässt sich von Klängen, Düften und Worten gleichermaßen entführen – und verbleibt in manchen Momenten schockiert zurück. Ein leises Buch mit großer Kraft, zauberhaft intim und dennoch mit klarer Haltung!

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