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Rezension zu
Nebenan

Niemals ganz allein

Von: Bjoernandbooks
22.05.2022

Wo sind die Winters? Keine*r hat die Familie in den letzten Wochen gesehen. Ihr Haus steht leer, aber auch wieder nicht leer genug, dass von einem Auszug ausgegangen werden kann. Julia, direkte Nachbarin der „verschollenen“ Familie, die niemand so richtig zu kennen schien, versucht, dem Verschwinden auf den Grund zu gehen. Doch nicht nur die Grübelei über die Abwesenheit von Mona, Erik und ihren Kindern treibt Julia um: Seit Jahren will ihr tief verwurzelter Wunsch nach einem Kind, einer Familie gemeinsam mit ihrem Mann Chris, einfach nicht in Erfüllung gehen. In ihrem vor kurzem eröffneten Keramikladen im Dorf findet sie Zuflucht: vor dem Alltag, vor sich selbst und dem Druck der Gesellschaft. Auch Astrid, Ärztin kurz vor der Rente, plagen Sorgen: Ein*e anonyme*r Briefeschreiber*in stellt ihre Reputation in frage und macht ihr Vorwürfe, Vorwürfe, die sich in der Provinz schnell herumsprechen würden. Sie braucht eine Freundin, der sie sich anvertrauen kann. Nachbarin Marli war eine ebensolche, doch alte Wunden der Vergangenheit haben sie voneinander entfernt... „'Wir sind auf viele Arten immer nur fast gestorben und haben uns gegenseitig gerettet. Nur zum Spiel'“ (S. 246) – „Manches ist offenbar ganz von allein miteinander verbunden, ohne dass man etwas dafür tun muss“ (S. 267) Mit sensibler Hand führt Kristine Bilkau ihre Leser*innen durch den Alltag von Julia und Astrid, zwei Frauen, deren Leben sich sachte berühren, leicht verwoben sind und die sich beide durch ihre Eigenständigkeit auszeichnen. Das Motiv des Nebenans, des Nahen und gleichzeitig doch so Ungewissen, durchzieht die Erzählung, die so viel mehr als ein reiner Dorfroman ist, wie ein roter Faden, wie der Kanal, der die beiden Dorfhälften gleichermaßen trennt und verbindet. Gerade diese Metapher der gleichzeitigen Verflechtung und Separierung dominiert die beiden Handlungsstränge. Während Julia kurz vor der Vierzig der Zeit hinterherrennt, in stetiger Sorge, die ersehnte Mutterschaft nicht mehr erreichen zu können, sieht sich Astrid mit dem Alter konfrontiert: ihrem eigenen, dem ihres Mannes und dem ihrer Tante Elsa, der letzten Verbindung zu den vergangenen Generationen. „Wo gehöre und gehörte ich hin?“ ist wohl eine der wesentlichen Fragen, die durch die so leise und nach außen unaufgeregte Erzählung schleicht. Erst nach und nach häuten sich die beiden Protagonistinnen, offenbaren ihre gegenwärtigen wie vergangenen Verletzungen, betreiben Selbstreflexion, ohne dabei in Larmoyanz abzudriften. Hier geht es um das wahre Leben, um zwei Frauen, die ihren Alltag mit all ihrer Kraft meistern, die für sich selbst und für andere einstehen, die ihre Probleme und Sorgen angehen, die aber auch immer wiederkehrende Fehler machen, sich selbst hintanstellen. Gerade die brüchig gewordene Freundschaft zwischen Astrid und Marli, der ehemaligen und nun wieder zurückgekehrten Nachbarin, steht sinnbildlich für die Vergänglichkeit einerseits und für die Energie der Selbstbestimmtheit. Kristine Bilkau gelingt es vorzüglich, ihren Figuren Leben einzuhauchen, sie mit beiden Beinen fest in der Erde zu verwurzeln. „Nebenan“ wird dadurch im besten Sinne zu einem Roman der Bodenständigkeit, einem Stück Literatur, das in seiner Alltäglichkeit und in seiner einfühlsamen Sprache zu berühren weiß. Hier braucht es keine Skandale, keine Katastrophen, Affären oder Eklats. Hier regiert das pure Leben, das der Schnelllebigkeit der Gegenwart die Stirn bietet. Ein wunderbares Buch einer berührend aufmerksamen Erzählerin!

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