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Rezension zu
Lückenleben

Mit einer berührenden Direktheit und brutalen Ehrlichkeit

Von: Daniel Pietrzik
24.04.2024

Das Buch "Lückenleben" von Katrin Seyfert, veröffentlicht von der Deutschen Verlags-Anstalt in seiner zweiten Edition 2024, eröffnet schonungslos ehrliche Einblicke in die Herausforderungen, die die Alzheimer-Erkrankung eines geliebten Menschen mit sich bringt. Die Autorin, ein Pseudonym einer renommierten Journalistin, zeichnet in ihrem Werk die erschütternde Reise durch die Alzheimer-Erkrankung ihres Mannes Marc nach, beginnend mit seiner Diagnose im frühen Alter von Anfang 50. Mit einer berührenden Direktheit und brutalen Ehrlichkeit beschreibt Seyfert die schmerzhaften Veränderungen, die Marc durchleben musste, als er allmählich seine Sprache und damit einen Teil seiner Identität verlor. Es ist nicht nur ein Kampf gegen eine verheerende Krankheit, sondern auch gegen soziale Konventionen und persönliche Unsicherheiten, die im Umgang mit dieser Situation entstehen. Besonders beeindruckend ist die Darstellung des Alltags, der sich um die Pflege dreht. Katrin Seyfert schildert detailliert, wie sie die Verantwortung für Finanzen, Pflegedienste und letztendlich die Organisation der Beerdigung übernahm. Ihre Sicht auf die Rollen, die ihr zugeschrieben wurden – erst als pflegende Ehefrau und dann als Witwe – offenbart tiefgreifende gesellschaftliche Erwartungen und den oft isolierenden Trauerprozess. Die literarische Qualität des Buches ist hervorzuheben. Trotz der ernsten Thematik wird der Text nie zu schwer oder unzugänglich. Seyfert nutzt eine präzise Sprache, die von Fachbegriffen bis hin zu umgangssprachlichen Ausdrücken reicht, und schafft es so, die Realität der Alzheimer-Erkrankung greifbar zu machen. Die Mischung aus persönlichen Anekdoten und kritischen Reflexionen über die Rolle der pflegenden Angehörigen bildet einen lehrreichen Kontrast, der zum Nachdenken anregt. Die Reaktionen der Presse, wie sie im Probsteier Herold oder im Standard zitiert werden, bestätigen die emotionale und literarische Wirkung des Buches. Leser sind eingeladen, ihre Gefühle frei zu erleben – sei es Trauer oder ein Anflug von Hoffnung. Auffallend ist auch die feministische Perspektive, die sich insbesondere in der Auseinandersetzung mit den Rollenerwartungen an trauernde Frauen zeigt. Die Doppelstandards, die pflegende Männer oft als Helden und pflegende Frauen als selbstverständliche Versorgerinnen porträtieren, werden kritisch hinterfragt und fordern die Leser heraus, über traditionelle Geschlechterrollen nachzudenken. Das Buch enthält zudem nützliche Literaturhinweise für jene, die sich tiefer mit dem Thema Alzheimer und dessen Auswirkungen beschäftigen möchten. Diese wissenschaftlichen und autobiographischen Quellen ergänzen die persönliche Erzählung Seyferts und bieten eine umfassende Ressource für Betroffene und Interessierte. Insgesamt ist "Lückenleben" ein empfehlenswertes Werk, das nicht nur für direkt Betroffene von Alzheimer, sondern auch für ein breiteres Publikum von Interesse ist. Es beleuchtet die menschliche Seite einer Krankheit, die allzu oft in klinischen Begrifflichkeiten und Statistiken verloren geht. Katrin Seyferts mutiger und offener Bericht verdient große Anerkennung und bietet tiefe Einblicke in die emotionalen und sozialen Herausforderungen, die mit Alzheimer verbunden sind.

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