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Rezension zu
Die Gestirne

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Benötigt viel Geduld

Von: Michael Lehmann-Pape
26.11.2015

Mit Preisen ausgezeichnet, über 1000 Seiten lang, in sich über aus verschachtelt, was die Perspektiven der Personen angeht (mindestens 12, plus die in oder andere) und was auch die je zeitversetzten Ebenen dieser Perspektiven angeht. Im Kern geht es dabei, wie in klassischen Kriminalromanen, um die Aufklärung eins Verbrechens (Mord),wobei sich (auch dieses Setting ist nicht unbekannt), die „Verdächtigen“ (was vorher nicht unbedingt klar ist), in einem Raum versammeln und aus diesem Raum heraus je ihre Sicht der Dinge, ihre Geschichte, starten lassen. „Die im Rauchzimmer des Crown Hotels versammelten zwölf Männer wirkten, als hätten sie sich dort zufällig eingefunden“. Dort den späten Jahren der 1860er Jahre des vorletzten Jahrhunderts erlebt der Ort Hokitika und die Gegend um diesen Ort herum einen Goldboom, in Neuseeland, mitten im Maori Land. Just zu dem Zeitpunkt, als Walter Moody den Ort erreicht und den Raum betritt, zerschlagen und noch auf unsicheren Beinen von der wilden Seefahrt zu diesem Ort hin. Als einzig fremder wird Moody rasch zum Kulminationspunkt der zwölf anwesenden Männer, von denen jeder sich auf seine Weise in ein geschehenes Verbrechen verwickelt sieht. Während nun breit, vielfach, mit ebenso vielen Nebenfäden die Schilderungen beginnen, während das Konzept Cattons, die Personen den Sternenbildern nachzuempfinden (was primär die untereinander sich bedingenden Konstellationen betrifft, aber auch auf die Eigenschaften Einfluss nimmt) und im Lauf der Seiten (durchaus schon mal ein- bis zweihundert) sich die zentrale Rolle einer misshandelten Prostituierten im Ablauf der Ereignisse, die zum Verbrechen führten herauskristallisiert (eine Frau, der Catton auch im Stand der Gestirne die zentrale Rolle zuweist), entsteht beim Leser mehr und mehr zum einen eine Freude an der sehr differenzierten, breiten, der Atmosphäre der Zeit angelehnten Sprache der Autorin (zunächst zumindest), aber (leider) zudem auch zum einen ein deutlicher werdendes Gefühl von Länge im Roman und zum anderen nicht selten einfach auch von Verwirrung. Wer da was ist, wer da mit wem zusammenhängt, was das überhaupt alles soll, wie der Mann, der als Einsiedler lebte und ein Vermögen gehortet zu haben scheint, mit den zwölf versammelten Männern in Beziehung steht, mit der Prostituierten, mit einer plötzlich auftauchenden Witwe (mit Erbansprüchen, natürlich) und mit anderen, erwähnten Personen und, nicht zuletzt, was diesen Walter Moody an diesen Ort verschlagen hat und was er auf der Schifffahrt dorthin furchtbares erlebt zu haben scheint, wie sich als roter Faden durch den Roman eine kongeniale Liebesgeschichte zweier „verwandter Seelen“ und zueinander gehörender Gestirne zieht, das ist nicht einfach auseinander zu halten, das bedarf des Zurückblätterns, des Neuansatzes, der Konzentration. Die allerdings nicht unbedingt durch die teils auch einlullende Gleichförmigkeit der Erzwählweise sonderlich gefördert wird. Obwohl die Personen nicht selten überraschende Seiten entlarven, die Bewertung ihrer Handlungen und ihres Charakters vom Leser neu bedacht, überarbeitet, verändert werden muss. Dennoch, eine Faszination ist dieser überaus breiten „Aufklärung“ des Geschehens und der wechselhaften Geschicke der beiden Liebenden nicht abzusprechen, ebenso hält die Spurensuche nach der inneren Klammer des Romans durch die Anlehnung an die Astrologie den Leser durchaus beschäftigt. Wie auch die philosophische Frage nach dem Verhältnis von Reichtum und innerer Erfüllung (die sich im Roman weitgehend ausschließen). Das der Roman in immer kürzer werdenden Kapiteln endet, dass zum Ende hin die Sprache und die geschilderten Ereignisse sich ins poetische hinein wenden und hier und da abstrakte Ebenen berühren, das liest sich dann (für den, der dort anlangt) mit höherem Tempo und mehr eintretender Klarheit. Insgesamt ein sehr ambitionierter Roman mit, gerade zu Anfang, anregender und ansprechender sprachlicher Form, der zum Ende hin ebenso einen gewissen Zug entfaltet, in der überaus breiten und langen Mitte aber nicht selten ein hohes Durchhaltevermögen erfordert. Wer allerdings Gesellschaftsromane zu schätzen weiß und zudem sehr detailliert gestaltete historische Romane mag, wer gerne „doppelte Böden“ in Figuren und Komposition sucht, der wird hier durchaus auf seine Kosten kommen.

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