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Rezension zu
Das Leben meiner Schwester

Persönliche Tragödie

Von: Zeilentänzer
25.06.2024

Mathilde wird von einem Moment auf den anderen mit der Trennung ihres Freundes Etienne konfrontiert, die sie ohne Vorwarnung verlässt. Erst im letzten Sommerurlaub machte er ihr in Kroatien einen Heiratsantrag und nun soll alles vorbei sein. Sie stellt sich die Frage, ob ihre gemeinsame Zeit nur Lug und Trug war und ist zutiefst gekränkt. Sie stürzt in eine tiefe Krise, leistet sich einen folgenschweren Fehler in ihrem Job als Lehrerin und wird schließlich von ihrer Schwester Agathe in der Wohnung aufgenommen. Dort erlebt sie eine glückliche Familie: Frédéric, der liebevoller Ehemann ihrer Schwester und hingebungsvoller Vater für ihre zauberhafte Nichte Lili. In Mathilde macht sich Neid breit und sie stellt sich die Frage, ob Agathe dieses Glück überhaupt verdient, wo doch sie ist es ist, die sich all das sehnlichst wünscht. Ich glaube, das war mein erster Roman von David Foenkinos, sein Name ist mir aber ganz sicher ein Begriff. Auf nur 192 Seiten hat der Schriftsteller ein erschreckendes Werk geschaffen, das von seiner subtilen Atmosphäre lebt. Dafür brauchte es eine einseitig beendet Beziehung, eine gedemütigte Verlassene und ein brüchiges Geschwisterkonstrukt. Mathilde und Etienne wollten heiraten, immer wieder muss sie an den gemeinsamen Urlaub in Kroatien denken, in dem sie ihrem persönlichen Glück am nähesten war. Doch urplötzlich verändert sich Etiennes Verhalten Mathilde gegenüber und er trennt sich von ihr. Der Grund ist das Auftauchen seiner großen Liebe Iris, die vor vielen Jahren nach Australien ausgewandert war und nun wieder zurück ist. Man möchte Mathildes Gefühle verstehen, kann sie gut greifen, versteht ihre Wut und tiefe Kränkung. Doch Mathildes Wahrnehmung verschiebt sich immer mehr, die Schuldigen für ihr Leid sind schnell ausgemacht. Als es zu einem Fauxpax an ihrem Arbeitsplatz als Lehrerin kommt, wird sie vorerst suspendiert. Die wenigen Seiten des Buches geben keine tiefen Einblicke in die geschwisterliche Beziehung von Mathilde und Agathe her, dennoch hatte ich weder den Eindruck, die beiden würden sich besonders nah stehen (was in der Vergangenheit anders war), noch, dass sie einander feindselig gegenüberstehen würden. Im Gegenteil: Agathe bietet Mathilde schnell Unterschlupf in ihrer Wohnung. Nachdem Mathilde zunächst ablehnt, willigt sie schließlich doch in den Vorschlag ihrer Schwester ein und zieht bei der dreiköpfigen Familie ein. Recht schnell bekommt man als Leser*in einen Eindruck von dem Zerrspiegel, in den Mathilde fortan blickt. Sie ist gereizt von ihrer Schwester, findet immer mehr Gefallen an deren Ehemann Frédéric und ein Gefühl ist fortan allgegenwärtig: Neid. Am Ende der Geschichte kommt es zur finalen Katastrophe, die man im Handlungsverlauf durchaus kommen sehen kann. Das tut der Qualität des Buches aber keinen Abbruch, denn wie ich schon erwähnte, ist es die Atmosphäre, von der das Erzählte getragen wird und vor allem die gut konstruierte Charakterdarstellung von Mathilde. Ich bin durch die Seiten geflogen und habe das kurzseitige Buch an einem Nachmittag gelesen. Die Geschichte wird mich noch eine Weile begleiten, auch, weil sie unsere Verwundbarkeit deutlich macht. Ein kleiner Kritikpunkt ist die Länge des Romans, der für mich durchaus mehr Seiten gebraucht hätte, denn bei diesem sehr sensiblen Thema, wirkte die Geschichte etwas gehetzt, die Situationen überschlugen sich und wirkten dadurch nicht mehr ganz authentisch. Sehr gut gefiel mir der emotionale Zerfall Mathildes, der sich in gefährlichen Aktionen für sie selbst und auch absurden Gesprächen zeigt. Sprachlich sehr metaphorisch geschrieben, ist es ein Buch, das schockiert und zum Nachdenken anregt. Eine unfassbare Tragödie und das erschreckende Ergebnis einer gebrochenen Frau, ein Roman der tief geht und die verzerrte Wahrnehmung eines zurückgewiesenen Menschen aufzeigt.

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