Von:
Marie Bundgaard
02.10.2021
In Rumaan Alams Roman „Inmitten der Nacht“ geht es um eine typische amerikanische Familie, bestehend aus den Eltern Amanda und Clay und ihren jugendlichen Kindern Archie und Rose, die gemeinsam für ihren Sommerurlaub nach Long Island in ein abgelegenes Ferienhaus fahren. Dort läuft zunächst alles gut, bis plötzlich nachts die Besitzer des Hauses, ein älteres Ehepaar, auftauchen und behaupten, es gäbe an der ganzen Ostküste einen Stromausfall. Ohne Handy- oder Fernsehempfang und Internet sind sie von der Außenwelt komplett abgeschnitten, als seltsame Dinge anfangen zu geschehen.
Das Buch hat insgesamt ein eher schleichendes Tempo. Bevor die Handlung richtig losgeht, dauert es ein paar Kapitel. Doch selbst dann passiert alles langsam. Es bleibt dennoch die ganze Zeit spannend und macht einem Schwierigkeiten, das Buch aus der Hand zu legen. Der Spannungsfaktor unterhält einen gut, allerdings bietet „Inmitten der Nacht“ nicht viel mehr als das. Man befindet sich lange Zeit in Ungewissheit und erfährt schleppend mehr über das, was inzwischen in der echten Welt vor sich geht. Das schränkt die Handlung deutlich in sich ein. Wenn man am Ende zurückblickt, stellt man fest, dass bei über 300 Seiten eigentlich kaum etwas geschehen ist.
Der Schreibstil von Rumaan Alam an sich hat mir gut gefallen, allerdings fand ich einige seiner Beschreibungen zu unnötig detailliert. Eine Einkaufsliste nimmt eine ganze Seite weg und die Genitalien von dem sechszehnjährigen Sohn werden mehrmals genau beschrieben, obwohl es nichts mit der Handlung zutun hat. Außerdem finde ich die Art, wie er Teenager schreibt sehr stereotypisch und unrealistisch. Alam meint wiederholt ausdrücklich, dass allen Jugendlichen ihre Umwelt völlig egal ist, solange es sie nicht direkt betrifft. Ich vermute deshalb, dass er nicht viele Teenager in dem Alter kennt und sich auf einzelne Erfahrungen beschränkt.
Insgesamt gibt es kaum eine Person in der Geschichte für mich, die sympathisch geschrieben ist oder mit der man sich identifizieren kann. Das macht ein Buch wie dieses schwierig, denn wenn die Charaktere in Gefahren geraten, interessiert es einen nicht wirklich, ob ihnen nun tatsächlich etwas zustößt. Wie die Teenager sind auch die Erwachsenen ziemlich nach Stereotypen und Klischees der modernen Welt geschrieben.
Der große Twist in der Geschichte, der in dem liegt, was hinter den angeblichen Stromausfällen verborgen ist, hat mich auch nicht weiter interessiert. Er wurde kaum ausgebaut und nimmt letztendlich nicht viel von der Handlung ein. Für die Hauptgeschichte ist er nur wenig wichtig.
Ohne das Ende spoilern zu wollen, kann ich nur sagen, dass das Buch am Ende mehr in die Sci-Fi Richtung geht und zwar spannend ist, aber einen, in meinem Fall, nicht allzu sehr mitreißt. Wer das Buch für Grusel lesen will, wonach die Inhaltsangabe zunächst klingt, ist hier nicht richtig. Es geht tatsächlich mehr um Familienverhältnisse und sozialen Status und hat nicht sehr viel von einem Thriller. Wenn man sich allerdings mehr für die anderen Themen interessiert, kann einem dieses Buch bestimmt sehr gut gefallen.