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Rezensionen zu
Knife

Salman Rushdie

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In gewisser Weise wurde das Leben von Sir Salman Rushdie am 12. August 2022 in zwei Hälften geteilt. Sein Leben vor und sein Leben nach dem Attentat, bei dem ihn ein islamistischer Täter in einer Kleinstadt im Bundesstaat New York schwerst verletzte. Entgegen aller Wahrscheinlichkeiten überlebte er den feigen Mordversuch, bei dem er ein Auge verlor und weitere schwere Verletzungen davon trug. Doch was macht das - jenseits der körperlichen Wunden - mit einem Menschen, der zwar jahrzehntelang von religiösen Fanatikern bedroht worden war, sich aber in den USA immer sicher gefühlt hatte? Wie wirkt es sich auf die Menschen in seinem nächsten Umfeld aus, auf seine Ehefrau, auf seine Kinder? Diesen Fragen geht Rushdie in seinem autobiografischen Buch Knife ebenso auf den Grund wie er die Lesenden an seinem Genesungsprozess teilhaben lässt und in einen fiktiven Dialog mit dem Attentäter tritt. Dabei gleitet der Autor nicht in Selbstvoyeurismus ab (eine reale Gefahr), sondern liefert ein reflektiertes und berührendes Werk, das auch den Menschen Salman jenseits der öffentlichen Person Rushdie besser verstehen lässt. Das Buch ist zudem als Liebeserklärung an seine Frau, die Dichterin Rachel Eliza Griffiths, zu verstehen, der er die eindrücklichsten Passagen des Buches widmet. Für mich ist Knife eines der bestimmenden Bücher dieses Lesejahres. Ein schmales Buch, das es in sich hat.

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Knife

Von: Letteratura

05.06.2024

„Da bist du ja. Du bist es also.“ S. 17 Seitdem 33 Jahre zuvor Ayatollah Ruhollah Chomeini die Fatwa über Salman Rushdie verhängte, hatte der Autor sich immer wieder vorgestellt, wie er wohl sein würde, sein Attentäter. Und als es dann passierte, er ihn aus der Menge der Zuschauer auf die Bühne und auf ihn zulaufen sah, kamen ihm diese fast banalen Worte in den Sinn. Und gleich darauf folgend: „Warum heute? Echt jetzt?“ Diesen saloppen Ton, der doch etwas so Monströses und Ungeheuerliches beschreibt, finden wir zuweilen in Rushdies neuestem Buch „Knife“, doch wie so oft findet der Autor die Balance, schreibt er so elegant wie auf den Punkt. Das Buch lebt unter anderem vom Ton des Autors, hervorragend übersetzt von Bernhard Robben, vom leichten Humor, der trotz aller Schwere immer wieder durchscheint, von den stechend scharfen Beobachtungen, für die er eine Sprache findet, die oft so präzise ist, dass ich immer wieder staunen musste. Rushdie erzählt vom Tag des Attentats im August 2022, das er nur haarscharf überlebte, und das sein Leben in ein Vorher und ein Nachher teilt. Er erzählt von der ersten Zeit im Krankenhaus, von seiner Frau Eliza, die ihm eine so große Stütze war und doch auch selbst ein Opfer des Attentats ist. Dem Zuspruch von Freunden, aber auch von der Öffentlichkeit, vom Besuch der Söhne. Von den schweren Verletzungen, vom Verlust des rechten Auges, den er auch zu dem Zeitpunkt, als er „Knife“ schließlich beendet, noch nicht verwunden hat. Aber Rushdie wäre nicht Rushdie, wenn er sich auf eine Nacherzählung des Angriffs und seiner direkten Folgen beschränken würde (obwohl auch dies allein seine absolute Berechtigung hätte). Er beschäftigt sich mit seinem Angreifer; den Plan, ihn persönlich zu treffen, verwirft er, imaginiert stattdessen ein Gespräch mit ihm und nähert sich so einem Prototyp des islamistischen Attentäters an. Er sinniert über das Schreiben und sein Leben als Autor, am Ende steht noch ein persönliches Statement zur Religion, die für ihn eindeutig ins Private gehört, gegen die er sich aber nicht generell positionieren möchte. Rushdie erzählt, er habe eigentlich einen anderen Romanentwurf in der Schublade gehabt, doch bevor er daran denken konnte, etwas Fiktives zu Papier zu bringen, habe er über das Attentat schreiben müssen. Herausgekommen ist ein absolut lesenswertes Buch, menschlich, warmherzig und verletzlich auf der einen Seite (im Gegensatz zu seiner Autobiographie „Joseph Anton“ hat er hier in der Ich-Perspektive geschrieben), klug und scharfsinnig auf der anderen. Ich empfehle die Lektüre von „Knife“ unbedingt, und ich hoffe, dass Rushdie bereits an seinem im Buch angeteaserten Collegeroman schreibt, denn ich kann nicht erwarten, ihn zu lesen.

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„Und so begegnete mir an jenem Morgen in Chautauqua nahezu gleichzeitig das Schlimmste und das Beste am Menschen.“ Salman Rushdie hat über den Mordversuch an ihm am 12.8.22 in den USA zu Beginn eines Vortrags ein Buch geschrieben. Und das interessierte mich brennend. „Knife“ ist ein so starker und doch zarter Text, der mich zutiefst beeindruckt. Fast jeder weiß es: 1989 gab es eine Fatwa aus dem Iran, den bekannten und kritischen Schriftsteller, diesen „Ungläubigen“ zu ermorden. Ursache war damals sein Roman „Die satanischen Verse“. Ich erinnere mich noch gut daran. Damals war ich gerade frisch Buchhändlerin geworden und das Thema war in aller Munde. Wir fragten uns damals, ob wir Angst haben mussten, wenn wir das Buch im Schaufenster präsentierten. Rushdie schildert in dem Buch, wie er dieses Attentat nur knapp überlebte. Bereits auf den ersten Seiten erinnert mich Rushdies Schilderung an Philippe Lançons Roman „Der Fetzen“. Lançon ist Überlebender des Terroranschlags auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo und auch er schildert in seinem Roman, sein Er- und Überleben des Attentats mit vielen schweren Verletzungen und das Leben danach.. Das Buch hat mich ebenfalls sehr beeindruckt. Welche Kraft diese Menschen besitzen! Am 11. August bewundert Salman Rushdie noch den Mond über dem stillen Campus-Gelände. Am 12. wird er auf der Bühne kurz bevor er seinen Vortrag beginnen kann, mit mehr als 10 Messerstichen attackiert. Rushdie schreibt in der Ich-Form, was naheliegend ist und er beschreibt die 27 Sekunden, die der Mordversuch dauerte sehr genau aus seinem Fühlen und Denken heraus. Er erhält sofort Hilfe von Menschen rund um ihn herum, auch aus dem Publikum. Den Täter kann man stellen, er wird später von der Polizei abgeführt. Rushdie selbst wird mit schweren Verletzungen im Helikopter in ein spezielles Krankenhaus transportiert. „… Gewalt zerschlägt dieses Bild. Plötzlich kennt man die Regeln nicht mehr – weiß nicht, was man sagen, wie man sich benehmen, welche Wahl man treffen soll. Die Wirklichkeit löst sich auf und wird durch Unverständliches ersetzt. Furcht, Panik und Lähmung verdrängen das rationale Denken. „Klar denken“ wird unmöglich, denn wer mit Gewalt konfrontiert wird, weiß nicht mehr, was „klar denken“ heißen soll“. Mittels Augenzeugen und aus seiner Erinnerung heraus versucht er später sein Verhalten zu rekonstruieren. Er lief nicht davon, wehrte sich nicht, außer in dem er seinen linken Arm zur Abwehr hob. Dass Messer traf den Arm, die Hand. Es traf auch den Hals, das Auge, die Leber und noch mehr. Die Ärzte sagten hinterher, sie hätten nicht geglaubt, dass er diese schweren Verletzungen überleben würde. Gleichzeitig tun sie alles menschenmögliche, um ihn zu retten. Es gelingt. „Wissen Sie was ihr größtes Glück war? Ihr größtes Glück war, dass der Mann, der sie angriff, keine Ahnung davon hat, wie man einen Menschen mit dem Messer umbringt.“ Auf der Intensivstation, auf der Rushdie viele Wochen verbringt, anfangs beatmet, verklammert und mit Augenverband, teils mit Schmerzmitteln sediert, reflektiert er das Geschehen und beginnt auch sich mit dem Täter auseinanderzusetzen. Mithilfe seiner Frau Eliza, seiner großen, späten Liebe, der er ein ganzes Kapitel am Anfang des Buches widmet und mithilfe seiner Verwandten, die so bald wie möglich anreisen, schafft Rushdie die schwere und schmerzhafte Zeit zu bewältigen. Wir begleiten ihn durch die einzelnen Phasen seiner Genesung, erst auf der Intensivstation, dann bei der Reha, in der Wohnung von Bekannten (wegen der Paparazzi) und schließlich endlich wieder im eigenen Zuhause. Doch auch von zuhause aus geht es weiter mit Arztterminen, mit Bangen und Ängsten und natürlich bleibt das Trauma, das auch das Zusammensein schwerer macht. Doch als er sich entschließt, weiter ins Leben zu treten, lieber vorwärts als rückwärts zu schauen, sein Leben nicht von dem Attentäter bestimmen zu lassen, geht es aufwärts. Das Paar besucht wieder Freunde, geht in Restaurants essen und hat natürlich dennoch mit dem Gefühl zu kämpfen, wieder weniger frei zu sein, denn Security ist wieder, wie damals, immer dabei. Rushdie beschäftigt sich mit dem Täter, der, wie man weiß aus fanatischen religiösen Motiven heraus die Tat plante. Würde er ihn treffen wollen? Wie steht es mit der Wut auf ihn? Muss er vor Gericht aussagen und ihm gegenüber stehen? Aus diesen Gedanken heraus, lässt er eine fiktive Begegnung im Gefängnis stattfinden, die natürlich nur auf dem Papier stattfindet. Wir Leser dürfen daran teilhaben und es ist mit Sicherheit eine gute Möglichkeit, die Tat zu verarbeiten. Ein weiteres Aufarbeiten findet über ein Jahr später statt. Das Paar besucht die Orte des Geschehens in Chautauqua. Damit endet das Buch. Es endet mit Liebe, an einem Ort, an dem Gewalt und Hass war. Aber auch damit, dass sich das Leben durch etwas dunkles verändert hat. Eine ebenso wichtige Verarbeitung dürfte letztlich aber auch das Schreiben dieses Buches hier sein. „Ohne Kunst würde unsere Fähigkeit zu denken, die Welt mit frischem Blick zu betrachten und zu erneuern, verkümmern und vergehen. Kunst ist kein Luxus. Sie ist die Essenz unserer Menschlichkeit, und außer dem Recht, sein zu dürfen, verlangt sie keinen besonderen Schutz.“ Rushdie bedient sich auch in der Literatur, er verwendet Zitate, Auszüge aus Gedichten und er erzählt von befreundeten Schriftstellern, die dem Tod nah sind/waren. So ist es, obwohl es autobiographisches Erzählen ist, doch wieder nahe an die Literatur herangerückt. Es zeigt einen Menschen, der das Schlimmste überlebt, und doch nicht gebrochen ist. Ein gutes Statement zur Religion, welches ich so teile, hier als letztes Zitat: „Was man privat glaubt, hat meiner Meinung nach niemanden außer dem jeweiligen Menschen zu kümmern. Ich habe auch nichts gegen Religion, wenn sie diesen privaten Raum besetzt und nicht versucht, die Wertvorstellungen anderer Menschen zu beeinflussen. Wenn die Religion aber politisch wird, gar zur Waffe, dann geht sie uns alle etwas an, da sie solch enormes Schadenspotenzial hat.“

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