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Rezensionen zu
Meine Katze Jugoslawien

Pajtim Statovci

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€ 24,00 [D] inkl. MwSt. | € 24,70 [A] | CHF 33,50* (* empf. VK-Preis)

Emine ist Kosovarin. Sie lebte mit ihren Eltern in den Bergen und träumte von einer großen Stadt. Denn die Kosovarinnen können keinen Beruf ergreifen oder hatte hier je jemand von einer Polizistin, Lehrerin, Juristin oder gar Politikerin gehört? Mit siebzehn ist Emine eine ausgesprochene Schönheit, das findet auch Bajram, der sie auf der Straße anspricht und zur Schule fahren will. Kurz darauf hält er mit seinem Vater Einzug in das Haus ihres Vaters, um ihre Hand anzuhalten. Während den Gesprächen bereitet und serviert Emine den Tee, wie sie es von ihrer Mutter gelernt hat. Zuerst dem fremden Vater, dann ihrem und zuletzt Bajram. Wie es die Tradition fordert hält Emine noch etwas Konversation mit den Fremden. Am Abend sagt ihr babë, dass sie armes unbedeutendes Kind sich glücklich schätzen könne, dass ihr Zukünftiger in Pristina die Sprachen und Literaturen des Balkan studiere. Ihre Mutter hingegen warnt sie, trichtert ihr ein, dass eine nach der Heirat davongejagte Frau den Ruf der ganzen Sippe schädige. Die Frau habe dem Manne zu dienen, so sei sie von kleinauf erzogen, das solle sie nie vergessen. Emines und Bajrams jüngster Sohn Bekim wird sich von seiner Familie distanzieren und ein einsames, zurückgezogenes Leben führen. Seine treueste Begleiterin wird eine Königsboa sein. Bekims wunderliches Verhältnis zu Katzen, die in seiner Heimat verabscheuenswürdiger Straßenunrat sind und zu Schlangen mögen aus seiner frühesten Kindheit stammen, der er als junger Mann auf den Grund gehen wird. Fazit: Diese Geschichte ist nicht so flockig, wie der Klappentext verspricht, sondern eine Unbequeme, die es in sich hat. Pajtim Statovci hält an zwei Erzählsträngen fest. Die einer Familie, aus Sicht der Mutter und die ihres Sohnes Bekim. Der Autor lässt die Mutter über Zwangsehe, die Machtergreifung Milosevic und den Balkankrieg sprechen. Den Sohn über seine missglückte Integration, seine Einsamkeit und seine Queerness. Ich bekam einen Einblick in die Kriegsgräueltaten der Serben gegen die muslimischen Völker, in traditionelle misogyne Familienrollenbilder und wie es sein muss in vieler Hinsicht anders zu sein, in einem Land, das sich vom eigenen so deutlich unterscheidet. Wie es sein muss vertrieben zu sein und seine Herkunft zu verwünschen, wegen der autoritäten Erziehung des Vaters. Der Autor schreibt über das Leid und die Missstände, die auf dieser Welt passieren und löst Wut in mir aus, dann gönnt er mir eine Verschnaufpause, indem er augenscheinlich lockere Bilder über kokettierende Katzen und symbolträchtige Schlangen schafft, bis dem aufmerksamen Leser auffallen muss, was Bekim während seiner Kindheit passiert ist. Und schon hat er mich wieder in einen Schrecken versetzt, dem ein Kopfschütteln folgt. Ein Roman, der ohne Pathos und Bewertung von den Schrecken des Krieges und des Lebens erzählt, den ich gelungen und in seiner Herangehensweise sehr besonders finde. Und natürlich zu recht auf der Shortlist des internationalen Literaturpreises zu finden ist.

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„Meine Katze Jugoslawien“ ist 2024 bei Luchterhand erschienen und ist auf der Shortlist für den Internationalen Literaturpreis. Am Anfang hatte ich mit diesem Buch zu kämpfen und begann schließlich, es zu lieben. Ich war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte, besonders als Bekim mit der Katze zu sprechen begann, die zurücksprach. Es fühlte sich an, als käme dieser Teil völlig aus heiterem Himmel und wirkte ein bisschen wie eine Murakami-Geschichte. Dieser Teil endete schnell, was ihn nur noch seltsamer machte. Diese Geschichte handelt von einer Familie, die vom Kosovo nach Finnland zieht - für ein besseres Leben, ein besseres Zuhause und weg von dem Krieg, der dort stattfand. Sie wird aus zwei Blickwinkeln erzählt. Zum einen aus der Sicht der Mutter - ihre Geschichte, ihre Kindheit und ihre Ehe bis heute. Und zum anderen aus der Sicht des Sohns - sein Leben als Erwachsener, seine Erinnerungen an seine Kindheit, seine Schlange und seine Katze, seine Liebesbeziehungen mit Männern und seine tiefe Einsamkeit. Während des gesamten Buches und von Anfang an kann man die immense Einsamkeit des Sohnes spüren. Er wächst mit unzugänglichen Eltern auf, einem Vater, der immer wütend ist, in einem fremden Land, in dem er zwar die Sprache beherrscht und versucht hat, sich zu integrieren, aber die Leute ihn weiterhin schikanieren, weil er ein Flüchtling ist. Im ganzen Buch gibt es das Gefühl, dass seine Familie und er selbst alles verloren haben. Sie leben am Rande der Gesellschaft und wissen nicht, wann es an der Zeit ist, Finnland zu Hause zu nennen - und ob der Kosovo jemals wieder ein Zuhause für sie sein wird. Sein Leben ändert sich am Ende und man kann spüren, dass es einen Hoffnungsschimmer gibt, als er jemanden gefunden hat, den er liebt. Nun kann er seinen Geist davon abhalten, an dunkle Orte zu gehen; aber selbst dann, selbst in den guten Momenten, spürt man, wie sein Geist abdriftet, wie er zur Einsamkeit zurückkehrt Die Mutter teilt dieses Gefühl der Einsamkeit. Sie ist früh verheirate und findet heraus, dass ihr Lebensweg nicht so angenehm sein wird, wie sie es sich erhofft hat. Sie füllt die Leere, die sie fühlt, indem sie die Hausarbeit akribisch erledigt. Es ist ziemlich traurig, wie viele Frauen sich unsicher sind oder nicht in der Lage fühlen, ihre missbräuchlichen Ehemänner oder ihr unglückliches Leben/ihre Ehe zu verlassen. Sie konnte aus Finnland auch nicht zu Hause anrufen, hat aber einen Weg gefunden, ihre Angst vor ihren Gedanken über Zuhause zu lindern. Am Ende findet sie ein bisschen Frieden, ist unabhängig, findet einen Job und adoptiert ein kleines Kätzchen. Ihre Einsamkeit verschwindet nicht und sie ist nicht in der Lage zu verstehen, wie man so allein leben kann, oder ob es besser ist, unglücklich zu leben, als allein zu sein. Es gibt Millionen und Abermillionen von Flüchtlingen auf der ganzen Welt, die eine ähnliche Geschichte haben, die nicht in der Lage sind, ein Zuhause zu finden, die nicht in der Lage sind, ihren Familien und sich selbst ein stabiles Leben zu bieten, und die während all dessen immense Einsamkeit empfinden. Ich frage mich, wie sie aus ihren vom Krieg zerrissenen Ländern in ein fremdes Land mit einer Fremdsprache fliehen, versuchen, sich anzupassen, nur um festzustellen, dass das Leben ihnen immer noch Schwierigkeiten bereitet und sie immer noch ihr Bestes geben, um zu weiterzukommen. Es ist immer schwer vorstellbar, wie egoistisch Menschen sein können, wenn ihnen gesagt wird, dass sie die "Flüchtlingskrise" als Überlebenskrise betrachten sollen. Ich erinnere ich mich, dass ich mir vor Jahren wünschte, ich könnte selbst ein wenig von dem erleben, was Einwanderer erleben, oder dass sie einige ihrer Erfahrungen auf eine Weise kommunizieren könnten, die ich verstehen könnte. Sie hatten neu an einem Ort angefangen, an dem ich noch nie war, und sie waren an einem Ort angekommen, den sie sich so nie vorgestellt hatten. Wie Finnland. Kalt, weiß, gemeinschaftlich, mit wenig rassistischen oder religiösen Spannungen. Dieses bemerkenswerte Debüt des 27-jährigen Statovci gibt uns diese Fremdheit, Vertrautheit, Andersheit und Ähnlichkeit in einer wilden Fahrt vom Kosovo nach Finnland, von der traditionellen Gesellschaft zu einer offenen Gesellschaft, von der kulturellen Akzeptanz bis zur sozialen Ausgrenzung. In jeder Passage in diesem Buch geht es um einen Aspekt der Bindung: unerklärliche Anziehung, selbstzerstörerische Hingabe, Sehnsucht, Groll, Akzeptanz und das Fehlen davon. Auf den ersten Seiten trifft sich Bekim mit einem Online-Kontakt, adoptiert einen Boa Constrictor und bringt ihn mit einer sprechenden Katze zusammen. Jahrzehnte zuvor ist seine Mutter Emine mit einem Mann verheiratet, der ganz in Ordnung zu sein schien, bis er sich als schrecklich erwies. Es gibt vorhersehbare (und realistische) Parallelen zwischen der Ehe von Bekims Eltern und seinen Beziehungen zu den Kreaturen, an die er immer wieder anknüpft. Dank der Katze und der Schlange kommt dieser Aspekt der Geschichte nicht als redundant oder übermäßig theatralisch heraus, sondern als bizarres Missgeschick. Wichtig ist, dass es sowohl für Bekim als auch für Emine eine echte Charakterentwicklung gibt. Es ist möglich, sie dreimal als Opfer zu sehen - von patriarchalischer Tyrannei, Fremdenfeindlichkeit und Krieg - und dieses verschärfte Trauma und der Verlust stehen im Mittelpunkt des Buches. Aber sie sind nicht die ganze Geschichte. Tatsächlich beinhaltet ein Teil des Entwicklungsbogens, dass Bekim und Emine ihre Beziehungen zu diesen Kräften ändern. Diese Punkte sind keine Spoiler - dieses Buch ist viel gehaltvoller, als die Abfolge von Szenen, die die Handlung aufbauen. Seine Brillanz liegt in den Kleinigkeiten in jeder Passage, die Geschichten, die Bekim und Emine sich selbst erzählen, während sie objektiv inakzeptable Umstände tolerieren, und den allmählichen Mut, der sich entwickelt, während der Einfluss der oben genannten schrecklichen Kräfte erodiert. Es ist weder eine Fabel noch ein Märchen, sondern eine Erklärung für eine sehr gewöhnliche, unvollkommene Reise von der Angst zu einer echten Verbindung. Statovci schafft es, mit diesem Debüt unsere Aufmerksamkeit zu erregen und erzählt von einer quälenden Kindheit und einem Erwachsenenalter voller plötzlicher emotionaler Fallen. Seine Verwendung eines weiblichen Standpunkts ist außerordentlich effektiv, um uns dazu zu bringen, Entscheidungen nachvollziehen zu können. Er zeigt uns die Isolation, die ein Emigrant von seinem Gastland fühlen kann, egal wie widersprüchlich diese Gefühle sind. Er zeigt uns das hasserfüllte Mobbing in der Stadt - ein Schritt weiter als das gewöhnlichen Mobbing in der Schule. - das eher einen Rückzug hervorruft, als eine Resilienz schafft und die Abhängigkeit von einheimischen Werten hervorrufen kann. Ich bin in Ehrfurcht vor Statovcis Schreiben und bin schon gespannt, was als Nächstes von ihm kommt - ich werde es in jedem Falle lesen.

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Emine wird früh in ihrem Leben verheiratet, zieht zu dem ihr nur von einer flüchtigen Begegnung bekannten Bayram, der sich schon bald keineswegs als DER Traummann herausstellt. Mit ihm bekommt Emine im von aufkommenden Kriegswehen gebeutelten Kosovo fünf Kinder. Als die Unruhen immer verheerender werden, beschließt Bayram die Flucht für die Familie. Er entscheidet sich für Finnland als Auswanderungsziel. Dort fällt den Eltern die Anpassung an die bestehenden Verhältnisse schwer, während die Kinder, allen voran der jüngste Sohn Bekim, sich schon bald sprachlich wie auch bezogen auf ihre Identität im neuen Land integrieren. Bekim suchen Alpträume heim, Alpträume von Schlangen, die ihn bedrohen, ihm nach dem Leben trachten. Nach einer vermeintlichen „Heilung“ setzt sich der Entfremdungsprozess sukzessive fort. Inzwischen erwachsen lebt er komplett für sich, nur mit den Geistern seiner Kindheit – bis der queere junge Mann in einer Bar auf eine sprechende Katze trifft... „[D]ann würde er verstehen, dass der Schluss von Geschichten nicht annähernd so interessant ist, wie die Einzelheiten am Anfang, in denen das Dahintreiben eines Menschenwracks im Geröll seines Lebens zum Beispiel dadurch zum Ausdruck kommt, dass der Protagonist […] seine Kumpels zum Essen in ein teures Restaurant einlädt, obwohl er überhaupt kein Geld hat“ (S. 304) „Meine Katze Jugoslawien“ - schon der Titel verspricht Skurrilität und Witz. Doch Statovcis bereits zehn Jahre alter Debütroman kann noch so viel mehr, zeichnet sich durch einen ungemein scharfen Blick auf Identitätsfindungen und die Träume junger Menschen im Kampf mit ihrer eigenen Herkunft aus und würzt die Erzählung mit einer kraftvoll subtilen Sprache. Statovci lässt die zwei Nationen aufeinanderprallen, die auch in seiner eigenen Biographie fest verankert sind. Als Kleinkind ist er mit seinen Eltern aus dem Kosovo nach Finnland geflohen. Diesen Weg gehen auch Bayram und Emine mit ihren Kindern – eine Entscheidung, die geprägt ist von Kompromissen, von Ängsten, Nöten und Anpassungsschwierigkeiten. Emine, die sich für ihre Familie aufopfert, die trotz der Gewaltbereitschaft ihres Mannes stets für ihn und ihre Kinder einsteht, repräsentiert dennoch gleichzeitig die Stärke als Frau, sich trotz aller Dysfunktionalitäten nicht zu verlieren, die Kraft zu behalten, für sich einzustehen – und sei es erst nach vielen Jahren. Statovci gibt Emine ein Gesicht, das sich durch Würde und Stolz, gleichzeitig aber auch durch Verletzlichkeit und Verletzbarkeit auszeichnet, eine Frau, die sich der Fehler in der Erziehung ihrer Kinder bewusst wird und vorsichtig versucht, diese wieder gut zu machen. Die Zeichnung seiner Protagonistin gerät dadurch ungemein facettenreich und authentisch, zu keinem Zeitpunkt beschönigend. Im zweiten Erzählstrang lässt Statovci den inzwischen erwachsenen Bekim zu Wort kommen, der die Traumata der Kindheit noch immer fest in Leib und Seele verankert hat. Tiere spielen hier eine wesentliche Rolle auf der metaphorischen Ebene, repräsentieren sie doch die Ängste aus frühen Jahren. Während Bekim eine Schlange als Haustier hält, wählt er eine sprechende Katze als potentiellen Partner – oder ist das alles nur ein Traum? Pajtim Statovci würzt seine erzählerischen Qualitäten mit der perfekten Dosis magischem Realismus, der sinnbildlich perfekt das seelische Innenleben Bekims abbildet. Trotz der Seriosität der verhandelten Themen gelingt es vortrefflich, einen stets leichten Ton zu bewahren, niemals ins Larmoyante abzudriften und dennoch (oder gerade deswegen) seine Charaktere jederzeit vollkommen ernst zu nehmen. Nach dem von mir ebenfalls extrem gemochten „Grenzgänge“ ist „Meine Katze Jugoslawien“ ein weiteres Zeichen für die exzellenten erzählerischen Qualitäten Pajtim Statovcis, der wie kaum ein Zweiter das Lebensgefühl einer nicht nur, aber auch queeren Balkan-Generation herausarbeitet. Eine unbedingte Leseempfehlung!

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