Von:
Laura-Luisa Neitz
30.03.2020
Als ich „Das Leben neu backen“ zum ersten Mal in den Händen hielt und aufschlug, war es für mich so überraschend, wie in eine Schokolade zu beißen, die plötzlich pikant schmeckt. Ich hatte ein Backbuch erwartet, das mit einer kurzen, liebevollen Einleitung und kleinen Anekdoten gespickt ist. Stattdessen handelt es sich um einen rund 400 Seiten langen Roman, der auf einer wahren Geschichte beruht und an dessen Kapitelenden jeweils ein Rezept vorgestellt wird. Dies soll keinesfalls eine negative Wertung sein, sondern nur darauf aufmerksam machen.
Olivia Potts nimmt den Leser mit auf die wohl aufreibendste Etappe ihres Lebens. Sie ist frisch verliebt, als plötzlich ihre Mutter stirbt. Ihren nicht (mehr) erfüllenden Beruf als Strafverteidigerin hängt sie an den Nagel, um ihr Leben im wahrsten Sinne des Wortes neu zu backen. Sie beginnt eine neunmonatige Pâtissier-Ausbildung an der renommierten Kochschule Le Cordon Bleu. Wie sie diese Zeit zwischen Schokolade, Zuckerkunst, Vanillecreme und Teig erlebt, nimmt einen Großteil des Buches ein. Dass sie sich beim Backen nicht immer perfekt anstellt und dazu steht, sorgt für Unterhaltung und zeigt, dass es „menschelt“. Für meinen Geschmack sind die Beschreibungen des Backunterrichts dennoch zu ausufernd und langatmig.
Lesenswert sind für mich vor allem die Szenen, in denen es um ihre Mutter und die Trauerbewältigung geht. Da ich selbst erst vor Kurzem meinen Vater verloren habe, konnte ich die meisten ihrer Gedanken und Gefühle absolut nachvollziehen. Man merkt, dass diese Sätze von jemandem geschrieben worden sind, der es genauso erlebt hat. Es tut gut zu lesen, dass man nicht der Einzige ist, dem es so geht. Ihre Mutter wäre garantiert stolz auf sie.
Die äußere Aufmachung von „Das Leben neu backen“ gefällt mir sehr gut. Mit dem Stoffrücken und dem überwiegend pastellblauen Cover erinnert es an ein nostalgisches Koch- oder Backbuch. Im optischen Buchinneren kommt dieser charmante Charakter leider nicht durch. Insbesondere bei den Rezepten habe ich Illustrationen oder Fotos der jeweiligen Köstlichkeiten vermisst. Aus geschmacklicher Sicht kann ich die Rezepte nicht beurteilen, da ich bisher keines nachgebacken habe, was aber sicherlich noch nachgeholt wird.
Olivia Potts' Werk zeigt, dass sich das Leben zwar nicht komplett neu backen lässt, man es sich aber mit einem leckeren Kuchen und einem guten Buch versüßen kann.
Ich würde „Das Leben neu backen“ Lesern empfehlen, die einen lieben Menschen verloren haben. Vielleicht bietet es sich auch als „Zugabe“ zu einer Trauerkarte an. Darüber hinaus spricht es mit Sicherheit ambitionierte Hobbybäcker/-innen an, die an Einblicken in eine professionelle Pâtissier-Ausbildung interessiert sind.