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Rezensionen zu
Nebenan

Kristine Bilkau

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"Wie gut musste man einen Menschen kennen, um etwas zu bemerken, um sicher sein zu können, dass etwas nicht stimmte? Und wie konnte man sicher voneinander unterscheiden, was Vermutungen und was Vorurteile waren? Wie nah musste man einem Menschen sein, um aus einem Verdacht heraus eine Frage stellen zu können, ohne neugierig oder aufdringlich zu wirken?" (S. 74) Vor kurzem erst haben Julia und ihr Freund Chris der Großstadt den Rücken gekehrt. Neuer Start, neues Glück; sie waren die Hektik und die Geschwindigkeit leid, suchten Entschleunigung und Ruhe und fanden sie in dem kleinen Ort am Nord-Ostsee-Kanal. Was nun noch fehlt: ein Kind. Nichts wünscht sich Julia mehr als werdende Mutter, eine Mutter im Werden genannt zu werden, diesen zart-pudrigen Geruch einzuatmen und die Wärme eines kleinen Wesens zu spüren. Aber ihre Gedanken werden zunehmend mit etwas Anderem eingenommen: Von einem Tag auf den anderen verschwinden ihre Nachbarn plötzlich. Der kleine Junge auf seinem Laufrad, die schwangere Mutter, der Vater, der ihnen penetrant Wein zu verkaufen versucht, "Freundschaftsangebot". Der Briefkasten quillt über, und kein Wort des Abschieds. Doch warum nur? Auch Astrid, Anfang sechzig, wird zunehmend von Sorgen geplagt: Seit Jahrzehnten führt sie erfolgreich eine Praxis mit festem Patientenstamm, bis sie eines Tages mysteriöse Briefe erhält, in denen ihr Ansehen als Ärztin beschmutzt, an ihren Fähigkeiten gezweifelt wird. Damit nicht genug, scheint es ihrer Tante mit dem Alter immer schlechter zu gehen, sie scheint verwirrt, beinahe dement - und ist doch der letzte familiäre Anker, den sie hat. Und dann ist da der Junge, der einen Zettel an die Tür des leerstehenden Hauses klemmt. "Es sind die Kleinigkeiten, es sind fast immer die Kleinigkeiten, an denen das Traurige sich fest macht." (S. 20) Dieses Buch fühlt sich an wie Heimkommen, wohlig-warm und unglaublich geborgen: "Nebenan" von Kristine Bilkau. Zärtlich und mit feinem Blick für das, was in Julia und Astrid passiert, so unterschiedlich und im Grunde doch so nah, verwebt sie die Schicksale der beiden Frauen nur sanft touchierend miteinander, lässt abwechselnd einen Blick in ihrer jeweiligen Leben zu. Sie beeinflussen einander nicht, kennen sich nur flüchtig, aber sind doch Teil derselben Umgebung, einer sozialen Gemeinschaft, deren Miteinander von geopolitischen und Gentrifizierungsmaßnahmen beeinflusst wird. Auch auf dem Land wird alles teurer, da ist es rentabler, leerstehende Gebäude derart zu belassen als zu sanieren. Kommt doch eh keiner von den jungen Leuten hier raus. Trotz ihres Altersunterschieds von fast dreißig Jahren sind es doch ähnliche Probleme, die sie beide beschäftigen: Sie sehnen sich nach Geborgenheit, nach Nähe, diesem anderen Menschen, den sie verloren haben oder sehnsüchtig erwarten, und doch bleiben sie auf der Stelle stehen. Ob aus Angst vor der Wahrheit, warum Marli Astrid nach all den Jahren, wo sie in den kleinen Ort zurückkehrte, nicht wieder in ihr Leben lässt; oder als Laune des Schicksals, dass es einfach nicht klappt, sie einfach nicht schwanger wird. Was resultiert, ist Ungewissheit, dieses Zwicken in der Brust. Und Frustration, all die Versuche, Marli unbemerkt näher zu kommen, ein Kind zu bekommen; die Distanz, die die alte Freundin aufbaut, die Julia von ihrem Glück trennt; beide gehen ans Äußerste, stark, vulnerabel, menschlich. Und müssen sich in der Gesellschaft doch immer wieder als Frau behaupten. Trotz all der ehrlichen Emotionen, der Verzweiflung und der Dringlichkeit, dem Verschwinden der Nachbarsfamilie auf die Spur zu kommen, ist es diese Ruhe, die den Roman so besonders macht. Sie macht all die harten Themen, die die Autorin behandelt, irgendwie erträglicher, denn es sind Probleme, die alltäglich sind: häusliche Gewalt, Fehlgeburt, Umweltverschmutzung. Gerade im Begriff, die Tränen wegzublinzeln, legen sich die Worte wie eine tröstende Hand auf mein Herz, beruhigen es. Sie tragen den Geruch salziger Luft, einer kühlen Brise heran, streuen Sand unter meine Füße und wirken entspannend wie eine warme Milch mit Honig. Danke für diese Geschichte, @kristinebilkau.

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Mitten aus dem Leben gegriffen wird hier eine tolle Geschichte erzählt mit greifbaren Figuren, die ich gerne weiter begleitet hätte. Viele unausgesprochene Geschichten zwischen den Zeilen, starke Frauen, die sich ihrer Stärke oftmals gar nicht bewusst sind und ein Ende, das zum Weiterdenken einlädt. Kristine Bilkau hat gleich mehrere Themen in ihren Figuren angelegt, die mich persönlich sehr betreffen, die ich ähnlich erlebt habe und dabei geht sie immer sehr sensibel vor. Ungewollte Kinderlosigkeit, Einsamkeit, Älter werden, Zukunftsängste, wo gehöre ich hin, woher stamme ich, lebe ich in Verbindungen zu Menschen, die stabil sind und mich tragen, welche Geheimnisse schlummern in meiner Familiengeschichte… um nur ein paar Themen zu nennen.

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Dorfromane haben nicht erst Konjunktur, seit die Städte durch Corona-Lockdown und Homeoffice-Pflicht an Attraktivität eingebüßt haben. In diesem Genre treffen Neuzugezogene und Alteingesessene aufeinander, Traum und Alptraum liegen oft eng beieinander. Der dritte Roman "Nebenan" der Hamburgerin Kristine Bilkau gehört in dieses Genre, sticht aber zugleich angenehm heraus. Nach ihrem Debüt "Die Glücklichen" von 2015 über ein junges, von Abstiegsängsten gelähmtes Paar und "Eine Liebe in Gedanken" von 2018 über eine Tochter auf den Spuren ihrer verstorbenen Mutter spielt "Nebenan" in einem namenlosen Dorf am, genauer rechts und links vom Nord-Ostsee-Kanal und in der fünf Kilometer entfernten Kreisstadt. Zwei Frauen Julia und ihr Mann Chris, eine mit ihrer beruflichen Situation in Hamburg unglückliche Kunsthistorikerin und ein Biologe, beide Ende 30, versuchen im Dorf einen Neuanfang. Im efeuumrankten kleinen Backsteinhaus von 1921 mit Garten soll die Familiengründung endlich klappen. Astrid, Ärztin kurz vor der Rente mit eigener Praxis, wuchs im Haus ihrer Tante Elsa neben dem Efeuhaus auf. Sie arbeitet und lebt mit ihrem Mann Andreas in der Kreisstadt. Die drei Söhne haben die Heimat längst hinter sich gelassen. Für Kindergarten, Schule und Einkäufe sind die Dörfler auf die Kreisstadt angewiesen, doch auch dort bröckelt die Infrastruktur. Läden schließen, das leerstehende Kaufhaus wird abgerissen und das Jugendzentrum wegen Einsturzgefahr geräumt: "Ladenflächen bleiben leer und Häuser verfallen, weil es für wenige steuerlich von Vorteil ist […]." (S. 110) Julias neueröffneter Keramikladen scheint ein Hoffnungsschimmer, lebt aber hauptsächlich vom Onlinehandel. Keine heile Provinzwelt Wer hier Idylle erwartet, wird enttäuscht. Astrid findet bei einer Leichenschau Spuren von Misshandlung, leidet unter einer zerbrochenen Frauenfreundschaft, anonymen Drohbriefen und der Sorge um ihre alte Tante. Julias Kinderwunsch bleibt trotz Kinderwunschklinik vorläufig unerfüllt, Chris deckt einen Umweltskandal auf und das Einleben wird nicht zuletzt wegen Julias Menschenscheu schwieriger als gedacht: "[…], in diesem Dorf, in dem einige Leute aufeinander achten, aber nur einige, und zu denen gehören sie hier noch nicht." (S. 244) So ist es erstaunlicherweise die Zugezogene, die sich die meisten Gedanken um das plötzliche Verschwinden der Patchworkfamilie im hässlichen Gelbklinker gegenüber macht. Auf den ersten Blick scheinen die beiden Frauen gegensätzlich, einerseits die verzagte Julia mit ihrer Zurückgezogenheit, ihrem „wartenden Zimmer“ und ihrem sehnsüchtigen Stöbern nach Familienidylle in pastellfarbenen Internetforen, andererseits die tatkräftige, zugewandte Astrid mit dem nach außen perfekten Leben. Doch bei genauerer Betrachtung erkennt man ihre unerfüllten Sehnsüchte, ihre Ängste und Nöte, die sie auch vor ihren durchaus empathischen Männern verbergen. Ein bunter Themenstrauß und Raum für Fantasie In 42 Kapiteln, meist abwechselnd aus personaler Sicht der Protagonistinnen erzählt, zeigt die detailgenaue Beobachterin Kristine Bilkau zwei Frauenleben und die Veränderungen auf dem Land, unterschiedlichste Familienmodelle einschließlich Jugendwohngruppe, Grenzen zwischen Kümmern und Übergriffigkeit, Niedergang dörflicher und kleinstädtischer Strukturen, Leere und Einsamkeit, pastellfarbene Social-Media-Scheinwelten und das Unheimliche, das überall lauern kann. Während mir bei der ersten Lektüre viele Erzählstränge offen und in der Schwebe vorkamen, wie es das immer wiederkehrende Motiv des Wassers nahelegt, fügte sich bei der zweiten alles wie von selbst. Ob die Fantasie da zu sehr mit mir durchgegangen ist? Nun schien mir das Ende dieses melancholisch-stillen, stilsicher geschriebenen und absolut empfehlenswerten Romans hoffnungsvoll: "Manches ist offenbar ganz von allein miteinander verbunden, ohne dass man etwas dafür tun muss." (S. 267)

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Klappentext Sie geht zum Fenster und blickt hinüber, zum eigenen Haus. Der Anblick ist verblüffend, wie deutlich von hier aus alles zu sehen ist. Chris an seinem Schreibtisch, im Licht der Stehlampe. Auf einmal wird ihr klar, heute, jetzt, in dieser Lebensphase, wäre er der einzige Mensch, der bemerken würde, wenn sie auf einmal nicht mehr da wäre. Wie dünn ihr Netz aus Verbingungen ist, das war ihr nicht bewusst. Über unerfüllte Sehnsüchte, die Brüchigkeit unserer Gegenwart und die Frage, wie nahe wir den Menschen, mit denen wir unser Leben teilen, wirklich sein können. Cover Das Cover ist schlicht und hätte mich nicht direkt angesprochen. Die positiven Meinungen haben mich darauf aufmerksam gemacht. Schreibstil Der Schreibstil ist angenehm und nimmt einen ganz sanft mit. Inhalt/Rezension Ich musste erstmal etwas in den Roman hinein finden. Man liest aus zwei Blickwinkeln. Julia und ihr Mann sind erst seit kurzem in den Ort gezogen und versuchen ein Kind zu bekommen. Sie ist selbstständig und macht sich Sorgen um ihre Nachbarn, die sie seit längerer Zeit nicht gesehen hat. Astrid lebt schon länger mit ihrem Mann in dieser Stadt, ihre Kinder sind längst ausgezogen, sie arbeitet als Ärztin und versucht wieder mit ihrer ehemaligen Freundin Marli in Kontakt zu treten. Die Geschichten und Personen haben eigentlich nichts miteinander zu tun, aber kreuzen sich häufiger. Ich bin begeistert von dem Roman, die unterschiedlichen Themen haben mich sehr berührt und zum Nachdenken angeregt. Jeder in diesem Buch hat sein Päckchen zu tragen und versucht das Beste aus der Situation zu machen. Auch die Rolle der Frau wird aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet. Doch trotz der vielen Geschichten und Problemen wirkt das Buch nicht überladen oder erdrückt einen. Es führt einen sanft durch den Strom hindurch und am Ende nimmt es, wie ich finde, sogar noch ein überraschendes Ende. Fazit Ein sehr berührender Roman, der mich zum Nachdenken angeregt hat. Zum Buch Autorin: Kristine Bilkau Buchlänge 288 Seiten Verlag: Luchterhand

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Nebenan

Von: knightlyart

13.05.2022

𝕌𝕟𝕓𝕖𝕫𝕒𝕙𝕝𝕥𝕖 𝕎𝔼ℝ𝔹𝕌ℕ𝔾 / ℝ𝕖𝕫𝕖𝕟𝕤𝕚𝕠n . 𝕀𝕟𝕙𝕒𝕝𝕥: Ein kleiner Ort am Nord-Ostsee-Kanal, zwischen Natur und Kreisstadt. . Mitten aus dem Alltag heraus verschwindet eine Familie spurlos. Das verlassene Haus wird zum gedanklichen Zentrum der Nachbarn: Julia, Ende dreißig, die sich vergeblich ein Kind wünscht, die mit ihrem Freund erst vor Kurzem aus der Großstadt hergezogen ist und einen kleinen Keramikladen mit Online-Shop betreibt. Astrid, Anfang sechzig, die seit Jahrzehnten eine Praxis in der nahen Kreisstadt führt und sich um die alt gewordene Tante sorgt. Und dann ist da das mysteriöse Kind, das im Garten der verschwundenen Familie auftaucht. . Sie alle kreisen wie Fremde umeinander, scheinbar unbemerkt von den Nächsten, sie wollen Verbundenheit und ziehen sich doch ins Private zurück. Und sie alle haben Geheimnisse, Sehnsüchte und Ängste. Ihre Wege kreuzen sich, ihre Geschichten verbinden sich miteinander, denn sie suchen, wonach wir alle uns sehnen: Geborgenheit, Zugehörigkeit und Vertrautheit. . 𝕄𝕖𝕚𝕟 𝕃𝕖𝕤𝕖𝕖𝕚𝕟𝕕𝕣𝕦𝕔𝕜: Eigentlich bin ich ein Fan von Krimis und Thriller, aber das Buch #Nebenan von @kristi hat mich so sehr gefesselt, dass ich sehr traurig war, als ich die letzte Seite gelesen habe. Von mir aus hätte das Buch auch 400 Seiten haben können anstatt der 288 Seiten. . 𝔽𝕒𝕫𝕚𝕥: Eine sanfte und zugleich aufwühlende Geschichte über das miteinander- und nebeneinander her leben. Aktuelle Themen, wie unerfüllter Kinderwunsch, anonyme HateSpeech-Briefe, der Selbstdarstellungswahn auf Instagram und die Nachbarsneugierde werden von der Autorin in ihrer einnehmenden Sprache erzählt. . 𝔾𝕒𝕟𝕫 𝕘𝕣𝕠ß𝕖 𝕃𝕖𝕤𝕖𝕖𝕞𝕡𝕗𝕖𝕙𝕝𝕦𝕟𝕘 𝕧𝕠𝕟 𝕞𝕚𝕣! . Danke an den @luchterhandverlag und dem @bloggerportal für das Rezensionsexemplar! . #Nebenan #KristineBilkau #Luchterhandverlag #bloggerportal . #Buchempfehlung #Bücherwurm #Buchtipp #Buchvorstellung #GutesBuch #IchLiebeLesen #Instabücher #lesenlesenlesen #lesenswert #Leseratte #buchrezension

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Kristine Bilkau ist ein großartiges Portrait zweier durchschnittlicher Frauen gelungen. Der Roman ist ganz gegenwärtig und durch die Normalität der oberflächlichen Betrachtung, erscheint es uns als ob wir die eine oder die andere schon getroffen hätten. Wir arbeiten uns in beiden Figuren voran, tauchen ab und lernen peu á peu was in ihnen vorgeht. Da ist Astrid, Anfang 60, Landärztin und tief verwurzelt in diesem kleinen Nest am Nordostseekanal. Eine glückliche Ehe mit 3 Kindern, sie steht mit beiden Beinen fest im Leben, resolut und anpackend. Aber mit der Zeit merken wir Leser:innen, dass sich da doch was tut im Inneren, wenn viele verschwinden aus dem Ort, die eigenen Kinder sich nicht mehr melden. Ihre Sorgen keimen auf. Die andere Protagonistin ist Julia, 38 Jahre alt. Erst kürzlich in den Ort gezogen mit ihrem Partner Chris und mit einem Kinderwunsch, der sich bisher nicht erfüllen ließ. Beide gehören in die achtsame Welt der Umweltretter und wollen ihren Teil dazu beitragen, dass die Welt für die nächsten Generationen ein besserer Ort wird. Sie eröffnet einen Keramikladen im Nachbarort, aber wäre doch gerne mit ihren Sehnsüchten alleine. Es ist bereits der dritte Roman der Hamburgerin Kristine Bilkau und Schreiben gelingt ihr! Es liest sich wunderbar leicht und hat trotzdem diese Tiefen. Es gibt nicht nur das eine Thema, hier werden Fragen aufgeworfen, hier wird gedacht und die Charaktere reiben sich (meist an sich selbst). Ich habe den Roman als ausloten von Grenzen empfunden, wann wird kümmern zu einmischen? Wann ist es in einem kleinen Ort aufeinander achten und wann ist es schon Voyeurismus? Vor allem auch das Hinterfragen von Plänen, die für das eigenen Leben gemacht werden, stand im Mittelpunkt des Textes. Hält man strickt an ihnen fest oder sollte man die Zügel auch mal lockern um wieder atmen zu können? Und zu guter Letzt war natürlich ein Kernelement der Strukturwandel auf dem Land in den kleineren Ortschaften spürbar und wirft auch Fragen des gesellschaftlichen Miteinander auf. Fazit: Vielschichtig, kontrastreiche Lektüre - Absolut lesenswert!

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Ein Ort irgendwo am Nord-Ostsee-Kanal, zweigeteilt an beiden Ufern, verbunden über eine Fähre. Die Kreisstadt in der Nähe, dazwischen die Natur, unberührt könnte man meinen, und dennoch von der Zivilisation verschmutzt. Das Alte scheint brüchig, das Neue zögert, wie so oft. Familien ziehen zu, andere gehen, Häuser werden verkauft, andere abgerissen. Mitten in diesem Trott leben Julia und Astrid. Julia, 40, und Chris sind hinzugezogen, nisten sich ein. Astrid, 60, ist Ärztin und denkt darüber nach, allmählich ihre Praxis abzugeben. Eine verloren geglaubte Freundschaft zu einer Nachbarin, welche wegzog und unvermutet wieder auftaucht, bekümmert Astrid. Und dann ist da noch Elsa, die eigensinnige aber liebenswerte Tante von Astrid. Ein leerstehendes Haus – eine Familie, welche ohne Abschied gegangen ist, beschäftigt vor allem Julia. Was hat es mit dem mysteriösen Kind auf sich, welches dort eine kryptische Botschaft hinterlassen hat? Die Unwissenheit nagt an ihr ein wenig, und weit mehr noch ihre eigene Zukunft. Julia verzehrt sich in ihrem Wunsch nach einem Kind, versucht alles, sogar eine künstliche Befruchtung. Sie hat ein Keramikatelier eröffnet, zögert aber, als sie das Angebot erhält, mit Teenagern zu töpfern. Julia und Astrid kennen einander kaum, nur vom Sehen, ihre Wege mögen sich kreuzen. Und so verschieden ihre Leben sind, es verbindet sie der Wunsch nach Beständigkeit, nach einem geborgenen Platz im Leben. Sie teilen ihre Sorgen, Nöte, Ängste und auch Freuden, ohne einander näher zu kennen. Die Autorin zeichnet hier sehr einfühlsame Portraits der handelnden Frauen, und was es in dieser Gesellschaft bedeutet, Frau und Mutter zu sein. Über Generationen gelebte Verhaltensmuster und Verpflichtungen bröckeln auf, gleichsam wie alte Gebäude marode werden und ersetzt werden. Einsichten, dass das Leben möglicherweise mehr zu bieten hat als stumme Erwartungen und das Leben von Rollen, tauchen auf, unspektakulär und latent. Es ist ein sehr sanfter, aber tiefgreifender Roman, und ich gebe hier mehr als gerne eine Leseempfehlung.

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„Es liegt an der Stille, ein unfreundliches Wort bekommt Gewicht, wenn es von Stille umgeben ist.“ (S. 140) Ein wunderschönes Buch, dass von Menschen erzählt, die sich nahe stehen und doch eigentlich so viel voneinander nicht wissen. Die Erzählungen erstrecken sich über die Nachbarschaft von Julia und Chris. Dort wohnen oder man muss eher sagen wohnte, die Familie Winter. Wann genau sie das letzte Mal gesehen wurden, weiß eigentlich keiner mehr so genau. Und dort wohnt Elsa, die spürbar alt wird. Elsas Nichte, Astrid, ist das Bindeglied zu einer weiteren Nachbarschaft, sie ist eine 60 jährige Ärztin und lebt mit ihrem Mann, einem pensionierten Lehrer, neben Marlis Haus. Die beiden ehemaligen Freundinnen suchen Nähe und haben gleichzeitig Angst vor ihr. Die Erzählungen erstrecken sich über die Nachbarschaft von Julia und Chris. Dort wohnen oder man muss eher sagen wohnte, die Familie Winter. Wann genau sie das letzte Mal gesehen wurden, weiß eigentlich keiner mehr so genau. Und dort wohnt Elsa, die spürbar alt wird. Elsas Nichte, Astrid, ist das Bindeglied zu einer weiteren Nachbarschaft, sie ist eine 60 jährige Ärztin und lebt mit ihrem Mann, einem pensionierten Lehrer, neben Marlis Haus. Die beiden ehemaligen Freundinnen suchen wieder die Nähe der jeweils Anderen und haben gleichzeitig Angst vor ihr. Das Buch erzählt in kurzen Kapiteln aus unterschiedlichen Perspektiven ohne in die Ich-Erzählung zu wechseln von Menschen, ihren Sehnsüchten, Ängsten und Träumen. Es zeigt schonungslos, wie wenig wir über unsere Liebsten und die Menschen in unserer Umgebung wissen und wie viel wir selbst daran Schuld sind, dass andere so wenig von uns wissen. Es erzählt von dem Wunsch einer ländlichen Kleinstadtidylle, die ernüchternd von der Realität eingeholt wird. Ich habe das Gefühl, ich habe auf dieser Lesereise wundervolle Menschen kennengelernt. Ich möchte sie alle gerne drücken und ihnen sagen können, alles wird gut. Wie man hoffentlich rauslesen kann, habe ich das Buch sehr gemocht. Wer glaubt, das Buch ist ein Krimi, weil es um das Verschwinden einer Familie geht, wird enttäuscht sein. Wer glaubt, Weisheiten und Erklärungen zu bekommen, wird ebenfalls enttäuscht sein. Das Buch ist für Leser*innen empfehlenswert, die über sich, die Menschen, das soziale Umfeld und das Leben im Allgemeinen nachdenken wollen. Ein Buch, das noch lange in mir nachhallen wird.

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